Meine Vernissage in New York

Meine Vernissage in New York

New York  kannte ich bisher nur aus Filmen verschiedenster Art. Ob ich diese Stadt jemals als Reiseziel gewählt hätte, weiß ich nicht. Ich bin Malerin und bekam eines Tages die Anfrage einer Galerie, in Manhattan auszustellen. Der Termin der Vernissage sollte der 19.12 2013 sein.

 

Drei Bilder gingen in einer fachmännisch gebauten Kiste rechtzeitig auf die Reise, und ich fand bei FAIRFLIGHT das Angebot „Christmas Shopping“, wie auf mich zugeschnitten – mit Boots- und Bustour, Empire State Building-Express, Heliflug und Shuttletransfer. Meine Vorfreude wurde noch einmal mehr gesteigert, als die vielseitigen Reiseunterlagen kamen. NUR: Die Bilderkiste war inzwischen vertauscht und in Shanghai gelandet!!! Es war nicht sicher, ob sie zur Ausstellung rechtzeitig da sein würde. Ich flog trotzdem.

 

Schon auf den Flug freute ich mich sehr. Ich saß am Fenster und sah leider nur Schmuddelwetter, dunkelgraue Wolken. Kurz vor Dublin war auf dem Bildschirm zu sehen, daß das Flugzeug scharf nach links abdrehte. Ich dachte schon an Entführung, als die Erklärung kam: Ein Fluggast mußte ins Krankenhaus, deshalb die Zwischenlandung. Die ganze Zeit über (ca.4 Stunden) konnte ich beobachten, wie aus der Gepäckluke genau unter meinem Fenster 5 große Container aus- und wieder eingeladen wurden. Sie suchten nach dem Gepäck des Ehepaares. Wo meine Kiste wohl gerade war?

 

Mein Nachbar im Flieger war auf dem Weg nach Hause in New Jersey. Er hatte seine 84jährige Mutter in seinem Heimatland Togo besucht und zeigte mir stolz, aber bescheiden auf einem Tablet Bilder von seinem Dorf am Meer. Und seiner Mutter, zahnlos, mit einem umwerfenden gutmütigen Lachen, ein Huhn auf dem Schoß. Gabriel hieß er, ein Glück, sich mit so einem sympathischen interessanten Nachbarn austauschen zu können, über Stunden. Er half mir, als die Befestigung des Bildschirms hakte, ich half ihm, die störrische Decke für ein Nickerchen über die Schulter zu ziehen – beim Abschied sagte er verschmitzt „Mom“ zu mir. Müde war ich, schlief nicht auf dem Flug. Über Neufundland konnte ich eine teilweise verschneite Landschaft bestaunen, in Ortschaften festlich beleuchtet, sehr schön. Wie zarte goldene Gespinste wirkten die Straßen von so weit oben.

 

Kalt und ungemütlich war mein erster Eindruck nach der Landung in Newark.

 

Mit dem Shuttle ging es in rasanter Fahrt auf New York zu. Das noch weit entfernte,  hell erleuchtete Manhattan unter schwarzem Himmel – einfach überwältigend.

 

pechschwarze Nacht mit erleuchteten Hochhäusern

pechschwarze Nacht mit erleuchteten Hochhäusern

Das Millenium Broadway Hotel war eine gute Wahl. Ein sehr netter junger Mann an der Rezeption gab mir ein Zimmer im 49.Stock als ich ihm erzählte, daß mich dieser Höhenausblick als Malerin interessieren würde. Im Zimmer gefielen mir vor allem das noble Marmorbad – und das Bett: So schlafen Prinzessinnen. Ich blickte in pechschwarzer Nacht auf das in fast allen Räumen erleuchtete Hochhaus gegenüber. Riesige rote H&M Reklame ganz oben und eine richtig gehende große „Uhr“, die es in sich hat. Das knallrote Zifferblatt hatte ein Uhrwerk mit beweglichen Zahnrädern, wie in „Modern Times“, alle paar Sekunden von immer wechselnder Reklame unterbrochen.

 

Fensterputzer in Manhattan

Fensterputzer in Manhattan

Einmal sah ich  hinüber zur Uhr: Alles weiß mit einem winzigen Etwas, Brille auf: Ein Fensterputzer. . . Nur bei der Vorstellung, da oben zu stehen, wurde mir schon mulmig.  Das Helldunkel der Leuchtreklamen am Times Square hielt mich wach, bis ich die dichte Gardine ganz korrekt zugezogen hatte.

 

Schneegestöber

Schneegestöber

Der Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen war  triste: Schneeregen und wirbelnde Flocken im Wechsel. Wieder faszinierte mich der Ausblick  aus meinem Fenster: Tief unten der Times Square, mit Yellow Cabs wie Ameisen, rechts das Paramountgebäude. Die tanzenden Schneeflocken erinnerten mich allerdings plötzlich an den 11. September, wie Papiere von den rauchenden Türmen flatterten. . .

 

Der Hunger trieb mich gleich voll ins Gewühl. Auch am Tag bunte, so unglaublich bunte flimmernde Leuchtreklamen, ständig wechselnd. Ein Taxi am andern. Die meisten Menschen hasteten, wohl „Christmas shoppend“. Ich empfand alles, z. B. auch die Hoteldrehtür als sehr schnell.  In einem bistroähnlichen Lokal gab  es alles Mögliche zu essen. Mir war nur nach Frischem: Obst (Klötze) und sehr leckerem O-Saft, frisch gepreßt, genau das Richtige.

 

Ohne ein bestimmtes Ziel anzusteuern, schlenderte ich durch die Straßen in der Nähe, „schnupperte Atmosphäre“. Eine Prepaidkarte zu kaufen gelang mir nicht. Im Hotel – Giftshop  kaufte ich eine Telefonkarte für 10$ , mit der ich erstaunlicherweise über 4 ! Stunden mit Zuhause telefonieren konnte.

 

Dann besuchte ich zum ersten Mal „meine“ Galerie im Galerieviertel Chelsea: Die Räume gefielen mir sehr gut, so wie das freundliche Personal, das ich bisher nur von unserem Mailverkehr her kannte. Aber:  Meine Bilder waren NOCH nicht da. Alle anderen Werke in dieser Ausstellung hingen bereits. In 2 Tagen würde die Vernissage sein. . .

 

Auf dem Nachhauseweg besuchte ich noch ein paar Galerien, die sehr unterschiedliche Programme hatten.

 

Am Abend gab es einen saftigen Fleischspieß an einer Straßenecke, liebevoll gegrillt von einem freundlichen, frierenden Mann. Tatsächlich kann man an fast jeder Straßenkreuzung alles Mögliche  zu essen bekommen. Es sind oft winzige, einfach überdachte Stände mit Minieisenplatte, auf der die schönsten Leckereien gebraten werden.

 

Dieser 1. Tag war nicht zum Jubeln, aber sehr eindrucksvoll.

 

Am nächsten, 2. Morgen beim Gardineöffnen DIE Überraschung: Blauer Himmel !

 

Sonne über Manhattan

Sonne über Manhattan

Ich konnte zwischen den Hochhäusern den Hudson River sehen, Schiffe zogen vorbei.  Wo es gestern naßkalt war, mußte ich heute meinen Daunenmantel offen lassen. Die Menschen waren auch heute eilig unterwegs, aber alles wirkte freundlicher. Mein Ziel war das Empire State Building, für das ich eine Expresskarte hatte, glücklicherweise. So ging ich lässig an den langen Schlangen vorbei  und sparte kostbare Zeit. Mit einem Express Lift oben angekommen, genoß ich den grandiosen Ausblick. Im Süden die Freiheitsstatue im  silbrig mattglänzenden Hudson. Auch die Suche nach „meinem“ Hotel machte viel Spaß. Etliche Pärchen freuten sich,  vor dieser tollen Kulisse fotografiert zu werden. Obwohl ein eisiger Wind wehte, war ich sicher eine Stunde da oben.

 

An „Macy’s“ kommt man nicht vorbei. Ich kaufte, meiner Stimmung folgend, eine knallrote kleine Lack „bag“ mit dem Macy-Stern-Logo auf der einen und „Believe“ auf der anderen Seite. In Glitzer! Heute MUSSTE die Kiste doch gekommen sein!  Aus „Victoria’s Secrets“ kamen vor allem junge Leute heraus, mit pinkfarbenen Papiertaschen mit V.S.-Aufdruck. Manche mit vorfreudigem Lächeln, glaubte ich zu sehen.

 

Wieder einmal aß ich in einem dieser Bistros, in denen sehr gemischtes Publikum  ist, nicht unbedingt ißt. Nicht wenige Menschen werden geduldet, ohne auch nur irgendwas zu bestellen. Ein Mann mit feinem Kamelhaarmantel und feinsten Budapester Schuhen hatte ein Notebook vor sich und Handy am Ohr. Zwischendurch ein Schluck Kaffee. In einer Straße parkte ein LKW mit bemaltem Tank: Frech grinsende Ratten, die sich an Lebensmitteln der Menschen labten. Dazu nur eine Telefonnummer.

 

Zwei Läden fielen mir auf, wie ich sie noch nicht gesehen hatte. Beide von der Dimension eines großen Drogeriemarktes bei uns. Der eine führte nur Perlen, in jeder denkbaren Art. Der andere Laden bot ausschließlich Bänder in allen möglichen Farben und Materialen an.

 

Wie gut, daß ich meine „Treter“ noch zuletzt eingepackt hatte, diese Strecken hätte ich in den schickeren Schuhen nicht so geschafft.

 

3.Tag, der Tag der Vernissage. Er fing gut an, mit strahlend blauem Himmel !

 

Ich ging zuerst zum Bryant Park, eine schöne Stimmung, elegant gleitende Eisläufer und Menschen, die, wie ich, nicht auf der Jagd nach Weihnachtsgeschenken zu sein schienen. Hier gab es doch tatsächlich  Lebkuchen und Christstollen zu kaufen!

 

das Rockefeller Center zur Weihnachtszeit

das Rockefeller Center zur Weihnachtszeit

Auf der 6th Avenue, auch „Avenue of the Americas“ genannt, war ein einrucksvoller Weihnachtsschmuck zu sehen. Was im Sommer sicher Brunnen sind, waren jetzt große Becken. In einem lagen riesige knallbunte Baumkugeln, sicher 4m Durchmesser, in einem zweiten eine überdimensionale grüne Lichterkette. Einmal rechts abgebogen und dann war ich am Rockefeller Center angekommen. Jahr für Jahr krönt ein 250kg schwerer und 3m großer „Swarovski-Stern“ den legendären Weihnachtsbaum, der schon einmal 30m hoch war.  Über 50000 bunte blinkende Lämpchen an einer 8 km langen Lichterkette!

 

Dann war es so weit, ich fuhr zur Ausstellungseröffnung, die um 18 Uhr begann.

 

Ohne meine Bilder.

 

Ich war tieftraurig, bin aber nicht eingeknickt. Sondern habe auch Spaß gehabt: Die Galeriemitarbeiterinnen waren in sehr heiterer Stimmung, mit blinkenden Ohrclips und schenkten Wein aus. Es hatte sich schnell herumgesprochen, was mir passiert war. So kamen immer wieder Leute auf mich zu, um die Story zu hören. Das meistgesprochene Wort des Abends war “unbelievable“. Ein junger russischer Aussteller war froh, seine Verlegenheit vor dem Pressefotografen zu vergessen, als wir wegen seines aufgeklebten und sich ablösenden Tattoos am Hals Quatsch machten.

 

Agora Gallery

 

 

Die Galeristin stellte mir einen neuen Ausstellungstermin in Aussicht, wie gut! Nach einem irgendwie trotz allem schönen Abend fuhr ich mit einem gelben Taxi ins Hotel.

 

alte Kähne, gutgelaunte Jogger und wissbegierige Touristen

alte Kähne, gutgelaunte Jogger und wissbegierige Touristen

Mein letzter Tag, wieder schönes Wetter. Ich verbrachte ihn, wie es mir in dieser Verfassung guttat: Besuchte noch einmal Galerien in Chelsea und natürlich „meine“. Die Kiste war immer noch nicht da. Später ging ich zum Hudson River. Das Wasser hat einen feinen guten Duft. Alte Kähne dümpelten, gutgelaunte freundliche, schwarze und weiße Jogger, Radfahrer und Schlenderer wie mich habe ich getroffen. Für die Fahrt ins Hotel hab ich mir ein Taxi „gefangen“. Durch die kleine Luke habe ich den Fahrer gefragt, wie er den 11.September erlebt hat. Aufregend, aber deutlich weniger dramatisch als die Frau, die ich am Nachbartisch in dem tollen Restaurant am Abend zum selben Thema befragte. Sie hatte ihre gehbehinderte Mutter aus und vor der Rauchwolke zu retten und es gerade so geschafft. Beide erzählten auf meine Frage hin lebhaft, fast froh, darüber berichten zu können.

 

Im Hotel fragte ich, wo ich schön essen könnte an diesem letzten Abend. Es war ein nobles Restaurant schräg gegenüber dem Millenium Hotel. Ich bekam einen schönen Wandplatz an einem Zweiertisch, nicht etwa Katzentisch. Und ich bestellte, was so gut aussah auf dem Teller des Nachbarn: Bandnudeln mit Hummersoße und gebratenen Garnelen, „zum Niederknien“, dazu einen leckeren Weißwein. Dann noch Dessert, gleichermaßen ein Gedicht. Das war der krönende Abschluß, all die anderen Male gab es Obst oder irgendwelche Leckereien an der Straßenecke.

 

Abreisetag. Leider sollte man wegen evtl. Streiks 2 Stunden früher zum Flughafen fahren als sonst.  Vorher ging ich nochmal an die Ecke Times Square, wo Touristen sich in den Armen von überdimensionalen Gestalten – verkleidet als Schlümpfe, Spiderman, Disney- und Sesamstraßenfiguren und sogar Käpt’n  Blaubär – fotografieren ließen.

 

Fünf Tage lang war ich in der sog. Neuen Welt. Es war grandios, überwältigend, schön, häßlich, soo anders, rasend schnell, verrückt, toll – und toll anstrengend. Ich bin froh, diese Reise gemacht zu haben !!!!!

 

PS. Meine Bilder kamen 2 Tage vor Ausstellungsende am 7. 1. 2014 in der Galerie an.

 

Marie-Luise Quandt

Homepage der Künstlerin

 

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